Berlin. Hannelore Elsner begann in Klamaukfilmen, war TV-Kommissarin und wird jetzt gefeiert im Charakterfach. Heute wird die Diva 75.

Im Film ist gerade die Berliner Mauer gefallen. Deutschland feiert. Aber Hannelore Elsner spielt eine Frau, die das alles sehr wütend macht. Der Film ist schwarz-weiß, Elsner trägt eine Perücke, einen Dior-Mantel um die Schultern, hat eine Zigarette in der Hand und giftet: „Mich macht es krank, zu sehen, wie diese Einheitsmenschen sich hier breitmachen, es ekelt mich an, wie die in den Unterhosen wühlen, wie die raffen. Mir ist jetzt erst bewusst geworden, dass die für Mon-Chéri-Pralinen kämpfen.“ Es ist eine der Szenen aus dem Film „Die Unberührbare“. Der Film, der Hannelore Elsner im Jahr 2000 den Bayrischen und den Deutschen Filmpreis einbringt. Und es ist der Film, der aus der damals 58 Jahre alten Schauspielerin Hannelore Elsner endgültig eine gefeierte Charakterdarstellerin macht.

Am heutigen Mittwoch wird sie 75 Jahre alt, und es wirkt, als wüchse ihre Präsenz auf der Leinwand mit jedem Jahr. Dieses Phänomen hat sie selbst einmal erklärt und dafür das Bild von Raupe und Schmetterling gewählt, weil es eben ein körperlicher Prozess sei, eine „Ent-Wicklung“. Sie sagte wörtlich: „Das dauert ja lange im Leben, bis man zu sich findet.“

Jede Rolle scheint wie

für sie geschrieben

Geboren wurde Hannelore Elsner während des Krieges 1942 im bayrischen Burghausen, nahe der österreichischen Grenze. In ihrer Biografie „Im Überschwang“ wird der Tag als schwül-warm beschrieben. „Es wütete gerade ein Gewitter, der Himmel war bedeckt und die Luft war drückend.“ Man muss sich also Blitze und Donner vorstellen — als die Hebamme sich über das Baby beugte und sagte: „Joa mei, die schaut aus wie der Karl Valentin.“

Die ersten drei Lebensjahre in München war die Familie noch komplett. Auf jedem Foto hält sie die Hand ihres großen Bruders Manfred. „Der war mir alles“, sagte sie über ihn. Mit fünf Jahren wurde er von einem Tiefflieger erschossen. Die Mutter hob die sechs Kugeln, die man aus ihm entfernte, in einem Säckchen auf — und gab sie nach ihrem Tod an Hannelore weiter. Deren Jugend nach dem Tod des Vaters zwischen Internat und Münchner Großstadt war nicht leicht, und das unstete Leben der Schauspielerei erschien fast als Erlösung, als neue Heimat.

Schon mit 17 Jahren trat sie in einem Film mit Freddy Quinn auf — und schaffte es mit dieser Erfahrung auf die Münchner Schauspielschule. Mit 22 Jahren dann bekam sie im Theater vor allem Komödien-Rollen, sogar die erste Nacktrolle auf bayrischen Bühnen wird ihr zugeschrieben. Im Kino spielte sie in „Filmchen“ mit, so nannte sie Streifen wie „Der Lümmel von der ersten Bank“ oder „Willi wird das Kind schon schaukeln“. Sie habe ihre Miete ja irgendwie zahlen müssen und nicht ahnen können, „dass die noch Jahrzehnte später im Fernsehen gezeigt werden“.

In den 70er-, 80er- und 90er-Jahren spielte sie vor allem in TV-Krimis wie „Tatort“ oder „Wolffs Revier“. Das brachte ihr 1994 die Titelrolle ihrer ersten eigenen Serie ein: „Die Kommissarin“, die sie über zehn Jahre verkörperte.

Sie begeisterte die Kritiker dann mit „Mein letzter Film“, „Alles auf Zucker!“ und schließlich als Sterbende in „Hanami — Kirschblüten“. Seitdem gibt es nur wenige Rollen, die nicht so wirken, als würden sie eigens für sie geschrieben — selbst die böse Fee in „Dornröschen“. Zuletzt war sie im Frühjahr dieses Jahres in dem ARD-Film „Die Diva, Thailand und wir!“ zu sehen. Wen sie spielte, sollte jetzt klar sein. Nächste Woche dann dreht sie in Prag: Das Erste verfilmt das Leben von Rudolph Moshammer; Elsner spielt die Mutter des Modeschöpfers.

Ihr Privatleben — die beiden Scheidungen und die wechselnden Partner — hielt sie dabei lange aus der Öffentlichkeit fern. Erst in ihrer Biografie erwähnt sie die Männer ihres Lebens und schaut ohne Bitterkeit zurück. Jeder hatte seinen Platz, und sie verbeugt sich voller Respekt noch einmal.

Hart lesen sich die Passagen über die Frühgeburt ihres Sohnes, den sie mit dem Regisseur Dieter Wedel bekam. Die Ärzte gaben dem Kleinen kaum Überlebenschancen. Jahre später wurde dieses Kind ihr bester Schauspiel-Coach. Wenn sie aus dem Märchenbuch vorlas und besonders viel Einsatz zeigte, sagte er: „Nicht spielen, Mama, nur lesen.“

Vor einiger Zeit sagte sie in einem Interview: „Ich weiß ja, wer ich bin und wie ich bin und fühle mich in meiner Haut eigentlich sehr wohl.“ Wie sie ihren heutigen 75. Geburtstag verbringt, behält sie für sich. Was wäre eine Diva ohne Geheimnisse.