Braunschweig. Die Kommunen zögern aber mit der Einführung der Versichertenkarte.

Unser Leser Felix Brandenburg fragt auf unserer Facebook-Seite:

Wer bezahlt das?

Die Antwort recherchierte Katrin Schiebold

Aiman T. (Name geändert) ist vor den Bomben in seiner Heimatstadt Aleppo geflohen. Seit einem Jahr und drei Monaten lebt der Syrer nun in Velpke im Landkreis Helmstedt und ist sehr dankbar für die Hilfe, die er hier als Flüchtling bekommt – so dankbar, dass er etwas zurückgeben will. Er hilft anderen Asylbewerbern, sich in Deutschland zurecht zu finden. Vor allem die Behördengänge sind für viele nicht leicht, sagt er am Telefon. „Wenn man krank ist, kann man nicht einfach zum Arzt gehen, sondern muss immer erst mit dem Sozialamt verhandeln. Das bedeutet: viel Papier, viel Zeit.“ Vor allem, wenn ein Kind erkrankt ist, könne das zum Problem werden.

Aiman T. begrüßt deshalb, dass das Land Niedersachsen die elektronische Gesundheitskarte auf den Weg gebracht hat. Doch bislang ist Delmenhorst die einzige Stadt, die eine solche Karte auch austeilt. Die meisten Kommunen wollen lieber beim alten Bewilligungssystem bleiben – aus Angst vor zu hohen Kosten.

Tatsächlich kommen die Landkreise und Städte für die Gesundheitsversorgung von Asylsuchenden auf. Flüchtlinge haben einen Anspruch auf die Behandlung akut auftretender Erkrankungen und Schmerzen. Schwangere können außerdem zur Vorsorge gehen und sich von Hebammen betreuen lassen. Nach 15 Monaten erhalten Asylsuchende dann die gleichen Gesundheitsleistungen wie Sozialhilfeempfänger.

Bislang müssen Flüchtlinge bei ihrer Kommune einen Behandlungsschein abholen, wenn sie zum Arzt gehen wollen; sie sind also an die Öffnungszeiten der Sozialämter gebunden. Das soll sich mit der Gesundheitskarte ändern: Sie könnten direkt zu einem Arzt gehen – eine entsprechende Vereinbarung hatte das Land mit den Landesverbänden der Gesetzlichen Krankenversicherungen getroffen. „Der ärztliche Sachverstand entscheidet dann über die Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung im Gegensatz zu Sachbearbeitern bei den Kommunen, die häufig über keine ärztliche Kompetenz verfügen“, sagt eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums. Außerdem würden die Kommunen von Verwaltungsaufgaben befreit.

Städte und Gemeinden in unserer Region fürchten dagegen, dass sie noch tiefer in die Tasche greifen müssen, wenn sie eine elektronische Karte einführen. Es könne dann nicht mehr geprüft werden, ob tatsächlich nur die Behandlungen erbracht werden, auf die Asylsuchende Anspruch haben, heißt es bei der Stadt Braunschweig. „Denn rund die Hälfte beabsichtigter ärztlicher Leistungen fällt nach den Ergebnissen der Prüfanfragen durch das Gesundheitsamt nicht unter den Leistungsstandard des Asylbewerberleistungsgesetzes.“ Die Stadt Salzgitter weist außerdem auf den mit den Kassen vereinbarten Verwaltungskostenanteil von acht Prozent hin: Der Aufwand sei höher als der, der für die Sicherstellung der Krankenversorgung in eigener Regie entsteht.

Land und Kommunen streiten seit langem über die Kosten, die für die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen anfallen. Niedersachsen zahlt den Städten und Gemeinden eine Pauschale von 10 000 Euro pro Flüchtling und Jahr. „Doch das ist bereits jetzt nicht auskömmlich“, sagt Elke Wichmann, Sprecherin der Stadt Wolfsburg.

Befürworter der elektronischen Gesundheitskarte sind dagegen überzeugt, dass die Kommunen langfristig Geld sparen, wenn sie sich für die Versichertenkarte entscheiden. Dafür spreche auch die Erfahrung anderer Bundesländer: Die Stadt Hamburg beispielsweise hat ein derartiges System schon 2012 eingeführt und spart eigenen Angaben zufolge rund 1,6 Milliarden Euro pro Jahr. Es sei weniger Personal nötig, die Bürokratie zurückgegangen. Dadurch seien die zuständigen Behörden entlastet worden.