Berlin. Viele Eltern glauben, dass Versicherer automatisch für Schäden durch unter Siebenjährige zahlen. Das ist ein verbreiteter Irrglaube.

Nicht jede Versicherung kommt für Schäden auf, die Kleinkinder verursacht haben. Eltern können dem Ärger vorbeugen: durch eine spezielle Kinderklausel in ihrer Privat-Haftpflichtversicherung. Diese Klausel gibt es seit einigen Jahren, aber meist nur für Neuverträge. Eltern, die noch einen alten Vertrag ohne Extraklausel für deliktsunfähige Kinder haben, sollten jetzt nachbessern, raten Verbraucherschützer.

Der sechsjährige Dirk malt mit bunten Filzstiften die helle Couch im Nachbarhaus an. Für die Nachbarn steht fest: Die Eltern müssen eine neue Couch bezahlen. Doch damit liegen sie falsch. Im Gesetz steht: Kinder unter sieben Jahren haften für Schäden nicht. Sie gelten als deliktsunfähig. Darauf können sich Dirks Eltern berufen: Wo kein Schuldiger, hat auch niemand Anspruch auf Schadenersatz. Damit wären sie fein aus der Sache raus.

Verbraucherschützer empfehlen Kinder-Zusatzklausel

Aber Dirks Eltern möchten das gute Verhältnis zu den Nachbarn nicht aufs Spiel setzen. Sie können die neue Couch also freiwillig aus eigener Tasche zahlen – oder sie haben eine Haftpflichtversicherung mit Zusatzklausel für Kinder, die nach dem Gesetz deliktsunfähig sind. Diese Versicherung springt ein, auch wenn das Kind nicht haftbar zu machen ist. Im Straßenverkehr liegt die Altersgrenze, bis zu der Kinder nicht haften, sogar bei zehn Jahren. Da geht es um viel Geld: Gerade Unfälle auf der Straße können teuer zu stehen kommen.

Vor diesem Hintergrund empfehlen Verbraucherschützer, sich für die Kinder-Zusatzklausel zu entscheiden. „Eltern haben ja doch ein schlechtes Gewissen, wenn ihre Kinder etwas anstellen, und sie möchten, dass der Geschädigte auf jeden Fall einen Ausgleich erhält“, sagt Bianca Boss vom Bund der Versicherten (BdV). Das Problem: Viele schließen eine Versicherung ab, heften die Police ab und kümmern sich dann nicht mehr darum.

Zusatzklausel meist nur in neueren Verträgen enthalten

Automatisch enthalten ist die Zusatzklausel für Kinder aber meist nur in neueren Verträgen. Deshalb lohnt es sich, einen raschen Blick in die Unterlagen zu werfen. „Eltern können nicht erwarten, dass der Versicherer die Erweiterung um Schäden durch deliktsunfähige Kinder von selbst vorgenommen oder den Kunden auf die Möglichkeit der Erweiterung auch nur hingewiesen hat“, sagt Peter Grieble, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Nach einer Auswertung des Vergleichsportals Verivox beinhalten 184 von 198 aktuell verfügbaren Familientarifen die Klausel für deliktsunfähige Kinder. „Besonders ältere Tarife bieten keinen ausreichenden Schutz“, erläutert Geschäftsführer Wolfgang Schütz. „Binnen weniger Jahre ist die Klausel breiter Standard geworden“, bestätigt Verbraucherschützer Grieble. „Wer den Vertrag vor Jahren oder vielleicht Jahrzehnten abgeschlossen hat, ist gut beraten, sich um diesen Extraschutz jetzt zu kümmern.“

In bestimmten Fällen zahlt die Versicherung auch ohne Zusatzklausel

Ein Erweitern der alten Police oder ein Neuabschluss mit Zusatzklausel kostet so gut wie nichts. „Es geht um vielleicht fünf Euro im Jahr“, sagt Experte Grieble. Laut BdV bieten Verträge mit Kinder-Klausel häufig auch in anderer Hinsicht bessere Leistungen, ohne viel teurer zu sein: „Tarife mit insgesamt guten Bedingungen sind so unwesentlich teurer, dass ein Wechsel daran nicht scheitern sollte“, meint BdV-Sprecherin Boss.

Wichtig zu wissen ist: Kommt es zu einem Schaden, weil Eltern ihre Aufsichtspflicht über das Kind verletzten, zahlt der Versicherer auch ohne Extraklausel. Denn dann sind die Eltern als Schuldige haftbar zu machen. Allerdings prüft das Unternehmen in jedem Einzelfall genau, ob die Eltern ihre Aufsicht tatsächlich versäumten. Das Ergebnis hängt unter anderem vom Alter des Kindes, dessen geistiger Reife und den charakterlichen Eigenschaften ab. Den sechsjährigen Dirk bei den Nachbarn spielen zu lassen, die damit einverstanden sind, stellt nicht gleich eine Aufsichtspflichtverletzung dar.

Der Vorteil der Zusatzklausel: Die Versicherung verzichtet darauf, die Aufsichtsfrage überhaupt zu stellen. Das gilt auch, wenn Kinder zwischen sieben und 18 Jahren einen Schaden anrichten. In diesem Alter ist der Nachwuchs bedingt deliktsfähig. Das bedeutet: „Das Kind muss nicht haften, wenn es die Folgen seines Handelns nicht absehen konnte, also die erforderliche Einsicht fehlte“, erläutert der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).